Eine kopflose, atmende Henne…? Oder: ein bisschen Weihnachten im Advent.

Federspuren Raubvogelangriff

Heute Morgen saß ich gemütlich in der warmen Küche, schlürfe glückselig Kaffee, guckte aus dem Fenster – nach hinten raus – und denke: Wieso sitzt Balu, mein Brahmajunghahn, alleine mitten im Schnee?

Balu alleine im Schnee?

Ich knipste ein Foto – weil ich es außergewöhnlich fand-, während dessen es mir durch den Kopf blitzte: Wahrscheinlich ein Fuchs bei den Hühnern…! Ich spurtete sofort durchs Haus, riss ein Fenster auf und sah Federn, Blut im Schnee, eine kopflose Molly, auf Molly ein Rothabicht, der Molly rupft. Der Vogel und ich starrten uns kurz an, dann schwang sich der Raubvogel in die Obstbäume davon.

Molly ist eine Junghenne, große Brahma mottled, eine meiner Nachwuchshoffnungen. Sie ist kurz vor Legebeginn.

Ich stieg subito in die Stiefel, warf die Jacke über und rase ins Freie, ums Haus herum und machte mir erst einmal ein Bild. Molly kopflos im Schnee, Balu weit weg alleine im Schnee, die meisten Hennen im Stall, drei fehlen. Phu!

Dann habe ich mir Molly näher angeschaut und bemerkte, dass sie noch atmete. Wie kann die denn ohne Kopf atmen? Unheimlich… Ich drehte sie behutsam um und schwups war da ihr Kopf, immer noch fest mit dem Hals verbunden. Das war wie Weihnachten! Sie hob den Kopf, ließ ihn also nicht hängen – was schon mal ein sehr gutes Zeichen war -, atmete durch den Schnabel und guckte mich an. Ich nahm sie hoch und suchte nach Wunden. Ich konnte bloß Einstichstellen von den Greifklauen entdecken. Ich hoffte, dass er keine Organe erwischt hatte. Mollys Hals war halb gerupft. Hätte der Habicht schon mit dem Schnabel im Gewebe angefangen zu arbeiten, wäre es vorbei gewesen.

Federn und Blut im Schnee

Die Wunden habe ich dann desinfiziert und Molly erstmal in den Stall, in ein Bodennest gesetzt. Nach kurzer Zeit versuchte sie bereits wieder aufzustehen, war aber noch wacklig auf den Beinen und setzte sich wieder hin.

Dann habe ich Balu aus dem Schnee evakuiert, indem ich mir den Riesenkerl einfach unter den Arm geklemmt habe. Was er sich auch gerne gefallen liess. Er hat nicht einmal gestrampelt und als ich ihn im Stall zu den Hennen gesetzt hatte, haben ihn seine Damen freundlich begrüßt.

Holly, Mollys Schwester hatte sich in einem schmalen Graben zuhinterst versteckt. Dort bin ich reingekrochen und habe gerade mal so einen Fuß erwischt. Zack! War sie aus dem Graben rausgezogen. Josephine eine ältere Bressehenne und Dolly eine junge Brahma-Bresse-Henne habe ich unter der Brugg eingesammelt.

Als alle drin waren: Klappe zu!

In nächster Zeit bleiben die Hühner im Stall und in der Voliere. Sicher so lange Schnee liegt. Platz haben sie genug. Auf dem Gelände können sie sonst in Deckung gehen, aber wenn sie nur mehr oder weniger in der Nähe des Stalls stehen, dann sind sie wie auf einem Präsentierteller…

Ich hatte hier noch nie einen Raubvogelangriff, außer vor einiger Zeit mal ein Sperberweib, das eine junge Appenzeller Spitzhaube greifen wollte. Die war aber so flink, dass sie locker entwischen konnte. Das Sperberweib habe ich dann fast täglich gesehen, die flog nämlich dauernd einer Spatzenfamilie nach. Passiert ist mit den Hühnern aber nichts mehr.

Jedenfalls bin ich jetzt erst mal froh, dass Molly noch lebt und ich hoffe, dass sie es überlebt. Ca. eine Stunde nach dem Vorfall habe ich nach Molly gesehen, sie stand im Nest. Ich habe sie herausgehoben und zu den anderen gesetzt, die gerade am Fressen waren. Sie wollte ein Salatblättchen aufpicken, aber sie war zu kraftlos. Dann ist sie wieder in ihr Lazarett gewatschelt. Gute Besserung, Molly, Du schaffst das!

Ich hoffe, dass sich der Rothabicht nicht hier fest in den Obstbäumen installiert und ich die Hühner gar nicht mehr rauslassen kann, sondern er einsieht, dass hier nichts zu holen ist. Sonst wäre das wahrscheinlich das Ende meiner Hühnerhaltung. Leider kann ich aus topografischen Gründen nicht das ganze Grundstück übernetzen. Hier im Dorf hat es mittlerweile ganz viele Hühner. Aber ich bin die einzige, die ihre Tiere täglich rauslässt. Da hat sich der Vogel wahrscheinlich gedacht: Wie praktisch! Also: Ich hoffe jetzt einfach mal, dass der Jungvogel sich ein anderes Jagdrevier sucht.

Im Übrigen hätte ich nie gedacht, dass ein Rothabicht auf eine große Brahmahenne losgeht. Aber die Jungvögel sind wohl noch sehr mutig und unerfahren und versuchen sich auch größere Beute zu holen. Trotzdem für meine Hühner solche Begegnungen natürlich suboptimal sind, bin ich beeindruckt vom Mut und der bereits majestätischen Erscheinung eines solchen Jungvogels. Der Vogel kann ja nichts dafür, er folgt einfach seinem Instinkt.

Molly mit einer Freundin im Lazarett – die gerupfte Stelle liegt auf der nicht sichtbaren Seite

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